Arbeitsrecht, Datenschutzrecht
von Kay Uwe Erdmann

Rechtsmissbräuchliches Auskunftsbegehren nach Art. 15 DSGVO

Mit Urteil vom 17.02.2021 entschied die 2. Kammer des LAG Sachsen, dass ein Auskunftsbegehren nach Art. 15 DSGVO ausscheidet, wenn es rechtsmissbräuchlich eingesetzt wurde. Damit reiht sich das Urteil in eine Serie von Entscheidungen ein, wonach der Auskunftsanspruch unberechtigt oder rechtsmissbräuchlich erhoben wurde.

Sachverhalt

Die Parteien stritten u.a. um die Abgeltung von Überstunden sowie um weitere Vergütungszahlungen und Auskunft über Leistungs- und Verhaltensdaten des Arbeitnehmers (Klägers). Der Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers stand im direkten Zusammenhang mit der Zahlungsklage wegen der Abgeltung der Überstunden gegen die Arbeitgeberin. Mit seinem Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO verlangte der Arbeitnehmer u.a. Auskunft darüber, welche personenbezogenen Daten bei der Beklagten in Bezug auf die Arbeitszeit des Klägers gespeichert sind und die Übermittlung einer Kopie dieser Daten. Mit dem Auskunftsanspruch verfolgte der Kläger das Ziel, Informationen über seine Überstunden zu erhalten, um somit seinen Zahlungsanspruch begründen zu können. Hintergrund hierfür ist der im Zivilprozessrecht herrschende Beibringungsgrundsatz, wonach den Kläger bei Zahlungsansprüchen wegen Überstunden die Darlegungs- und Beweislast dahingehend trifft, dass Überstunden geleistet und in welchem Umfang sie geleistet wurden. Kommt der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nach, indem er die Überstunden nicht beweisen kann, wird seinem Zahlungsbegehren nicht entsprochen und die Klage abgewiesen.

Auskunftsbegehren

Mit dem Auskunftsbegehren nach Art. 15 DSGVO forderte der Arbeitnehmer die Arbeitgeberin auf, ihm mitzuteilen, welche ihn betreffenden personenbezogenen Daten in Bezug auf die Arbeitszeit bei der Arbeitgeberin gespeichert sind. Zudem sollte die Arbeitgeberin eine Kopie dieser Daten übermitteln. Von dem Auskunftsbegehren waren auch Daten erfasst, aus denen sich mittelbar die Arbeitszeit des Arbeitnehmers ergibt. Die Beklagte hielt dem Arbeitnehmer entgegen, dass er sich durch den Auskunftsanspruch lediglich Beweismittel für die streitige Auseinandersetzung in Bezug auf die behauptete Überstundenarbeit verschaffen wolle und forderte ihn daraufhin auf, sein Auskunftsersuchen weiter zu konkretisieren, insbesondere im Hinblick auf den verfolgten Zweck sowie im Hinblick auf bestimmte Verarbeitungszwecke, Zeiträume bzw. Datenkategorien. Eine weitergehende Konkretisierung seitens des Arbeitnehmers fand in der Folge nicht statt.

Entscheidung des LAG Sachsen

Das LAG Sachsen hat den Auskunftsanspruch aus mehreren rechtlich selbständig tragenden Gründen abgelehnt.

  1. Keine bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes
    Zunächst führt das LAG Sachsen aus, dass § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO für eine Klage u.a. auch die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs verlange. Der Antrag des Arbeitnehmers hinsichtlich seines Auskunftsbegehrens erfüllt diese Voraussetzung nicht. Vielmehr wiederholt der Antrag nur den Gesetzeswortlaut und liefert keine nähere Begründung für das Auskunftsverlangen.
  2. Zweck des Auskunftsrechts missachtet
    Weiter führt das LAG Sachsen zu seiner Entscheidung den Zweck des Art. 15 DSGVO heran. Zweck des Auskunftsrechts sei es nicht, den Kläger über seine Arbeitszeiten zu beauskunften. Dies sei weder Gegenstand noch Ziel der DSGVO. Die Verordnung enthält stattdessen Vorschriften zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten und zum freien Verkehr solcher Daten. Sie schütze die Grundrechte und -freiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Hierfür stehen den betroffenen Personen Rechte in Bezug auf Berichtigung, Löschung, Einschränkung aber auch ein Auskunftsanspruch gegenüber der verarbeitenden Stelle zu. Um all das würde es dem Kläger nach Ansicht des LAG jedoch nicht gehen.
    „Er beansprucht gerade weder Berichtigung noch Löschung, sondern sucht – funktionswidrig – Auskunft zu Daten, die er zur Vorbereitung eines Anspruchsbegehrens unverändert und vollständig benötigt.“
    Der Auskunftsanspruch nach der DSGVO ändert insofern nichts an der den Arbeitnehmer treffenden Darlegungs- und Beweislast. Der Kläger bleibt im Rahmen des Beibringungsgrundsatzes verpflichtet, vorzutragen, dass, wann und in welchem Umfang von ihm Überstunden auf Veranlassung des Arbeitgebers geleistet worden. Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO führt gerade nicht zu einer Beweislastumkehr durch die Hintertür. Arbeitgeber als die Verantwortlichen im Sinne der DSGVO sind bei gegen sie gerichteten Klagen ihrer Arbeitnehmer nicht verpflichtet, den Arbeitnehmern Beweise über den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO zur Verfügung zu stellen, damit diese ihrer Darlegungs- und Beweislast gerecht werden können. In solchen Fällen wird der Auskunftsanspruch von dem Arbeitnehmer nicht zur Wahrnehmung seiner Rechte aus der DSGVO, sondern rechtsmissbräuchlich eingesetzt. Ein solches rechtsmissbräuchliches Vorgehen steht nicht im Einklang mit den Zielen der DSGVO.
  3. Fehlende Konkretisierung der Informationen und der Verarbeitungsvorgänge
    Der Prozessbevollmächtigte des Arbeitnehmers teilte selbst gegenüber der Arbeitgeberin mit, dass es ein erheblicher Aufwand sei, die gesamte E-Mail-Kommunikation auszuhändigen. Die Beklagte forderte den Arbeitnehmer deshalb mehrmals auf, zu präzisieren, auf welche Informationen oder welche Verarbeitungsvorgänge sich sein Auskunftsersuchen bezieht. Dieses Recht der Beklagten ergibt sich aus Erwägungsgrund 63 Satz 7. Verarbeitet der Verantwortliche eine große Menge von Informationen über die betroffene Person, so sollte er verlangen können, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Informationen oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, bevor ihr Auskunft erteilt wird. Einer weiteren Konkretisierung kam der Arbeitnehmer allerdings nicht nach. Ein solches Verhalten kann ebenfalls an Anhaltspunkt für ein rechtsmissbräuchliches Auskunftsverlangen bewertet werden.
  4. Exzessives Begehren
    Darüber hinaus erscheint nach Ansicht des LAG das Begehren des Arbeitnehmers auf Auskunft auch zu exzessiv zu sein. Maßgebend für diese Annahme war der Umstand, dass der Kläger sein Auskunftsverlangen in Zusammenhang mit einer begehrten Zahlung in Höhe von 100.000 Euro gestellt und es erst rechtshängig gemacht hatte, nachdem die Beklagte seinen Vorstellungen widersprochen und auf den erheblichen aus der Beauskunftung resultierenden Arbeitsaufwand hingewiesen hatte. Bei einem exzessiven Begehren kann der Verantwortliche sich aufgrund des Antrags weigern tätig zu werden gem. Art. 12 Abs. 5 lit.b ) DSGVO. Dies hat die Beklagte im vorliegenden Fall getan.

Praxistipp

Für Arbeitgeber stellt sich die Frage, wie sie sich erfolgreich gegen rechtsmissbräuchliche Auskunftsansprüche ihrer Arbeitnehmer wehren können. Zum einem besteht die Möglichkeit bereits bei den formellen Anforderungen anzuknüpfen. Ebenso wie das LAG Sachsen hat das BAG in seinen Entscheidungen vom 16.12.2021 – Az. 2 AZR 235/21 und vom 27.04.2021 – Az. 2 AZR 342/20 darauf hingewiesen, dass der Klageantrag hinsichtlich der Herausgabe aller Leistungs- und Verhaltensdaten zu unbestimmt sei und nicht den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entspreche. Die Kläger hätten die Anträge so stellen müssen, dass ersichtlich ist, über welche genauen Daten sie Auskunft verlangen. Ohne einen ordnungsgemäßen Antrag ist die Klage jedoch unzulässig. Der Auskunftsanspruch kann daher aus formellen Gründen bereits scheitern.

Darüber hinaus sollten Arbeitgeber darauf vorbereitet sein, rechtsmissbräuchliche Auskunftsansprüche zu erkennen. Aus diesem Grund sollten Mitarbeiter Anhaltspunkte für eine Zweckwidrigkeit bereits frühzeitig zusammenzutragen und gezielt geschult werden, um Arbeitnehmer aufzufordern, ihr Auskunftsverlangen sowie dessen Zweck entsprechend des Erwägungsgrundes 63 Satz 7 zu konkretisieren. Hierdurch kann auf die Motivation des Auskunftsverlangens rückgeschlossen werden. Kommt der Arbeitnehmer der Konkretisierung nicht nach, liegen ebenfalls Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch vor.

Als weitere Verteidigungsmöglichkeit steht den Arbeitgebern offen, den Auskunftsanspruch bei offenkundig unbegründeten oder exzessiven Anträgen nach Art. 12 Abs. 5 lit. b) DSGVO zu verweigern. Hierbei sollte sich der Arbeitgeber jedoch nahezu Gewissheit darüber verschaffen, ob ein Antrag tatsächlich offensichtlich unbegründet ist, um gravierende und kostspielige Fehler zu vermeiden. Als Beispiel für einen exzessiven Antrag führt die DSGVO häufige Wiederholungen auf, wobei die häufige Antragswiederholung nur dann als exzessiv gilt, wenn diese ohne berechtigten Grund erfolgt. Durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ wird außerdem aufgezeigt, dass noch weitere Umstände zu einem exzessiven Antrag führen können. Als rechtsmissbräuchlich gilt ein Antrag auch, wenn er nur den Zweck verfolgt, den Verantwortlichen zu schikanieren.


Zurück zum Blog
Kay Uwe Erdmann