Arbeitsrecht
von Kay Uwe Erdmann

Kein Anspruch auf Nachgewährung von Urlaubstagen wegen einer Quarantäneanordnung bei einer symptomlosen Corona-Infektion

(LAG Köln 2 Sa 488/21)

Mit dem Urteil vom 13.12.2021 bestätigte das Landesarbeitsgericht Köln die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn, wonach der Arbeitnehmerin kein Anspruch auf Nachgewährung von Urlaubstagen wegen einer Quarantäneanordnung bei einer symptomlosen Infektion mit dem Corona-Virus zusteht.

Dem Urteil zugrundeliegender Sachverhalt

Im vom Arbeitsgericht Bonn entschiedenen Fall wurde der Klägerin in der Zeit vom 30.11.2020 bis zum 12.12.2020 Erholungsurlaub gewährt. Am 27.11.2020 verfügte die zuständige Behörde die Absonderung bzw. häusliche Isolierung der Klägerin, welche Kontaktperson ersten Grades ihres mit dem Corona-Virus infizierten Kindes war. Nach Behauptung der Klägerin, lag ab dem 01.12.2020 auch bei ihr ein positives Corona-Testergebnis vor. Symptome waren bei der Klägerin jedoch nicht feststellbar, sodass die Klägerin keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhielt. Die Isolierungsanordnung endete am 07.12.2020. Mit der erhobenen Klage verlangt die Arbeitnehmerin die Nachgewährung von fünf Urlaubstagen für die Zeit vom 01.12.2020 bis einschließlich 07.12.2020. Das Landesarbeitsgericht Köln hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und damit das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 07.07.2021 bestätigt.

Kein Anspruch der Klägerin aus § 9 BUrlG für die Nachgewährung von Urlaubstagen

Zurecht haben das Arbeitsgericht Bonn und das Landesarbeitsgericht Köln den Anspruch der Klägerin aus § 9 BUrlG für die Nachgewährung von fünf Urlaubstagen bei einer Arbeitsunfähigkeit verneint. Die Klägerin hat kein ärztliches Zeugnis beigebracht, welches ihre Arbeitsunfähigkeit belegt. Nach § 9 BUrlG besteht nur dann ein Anspruch auf erneute Gewährung von Urlaubstagen, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch ein ärztliches Zeugnis bewiesen ist. Ohne ein solches ärztliches Attest besteht kein Anspruch auf Nachgewährung von Urlaubstagen. Sinn und Zweck dieser Regelung ist nicht nur die Vorbeugung gegen Missbrauch, sondern auch die ärztliche Beurteilung, ob eine Erkrankung des Arbeitsnehmers zur Arbeitsunfähigkeit führt. Die Arbeitsunfähigkeit muss gerade durch einen Arzt attestiert werden.

Die Ordnungsverfügung mit der Quarantäneanordnung genügt einem ärztlichen Attest nicht. Aus der Ordnungsverfügung der Behörde geht lediglich hervor, dass die Klägerin an Coviv19 erkrankt ist. Aus ihr geht jedoch keine Beurteilung hervor, dass die Infektion der Klägerin zu einer Arbeitsunfähigkeit führte. Eine solche Beurteilung obliegt auch nicht der Behörde, sondern einem Arzt. Nur ein Arzt ist berechtigt, die Arbeitsfähigkeit eines Arbeitnehmers zu überprüfen und zu bescheinigen.

Die Einwendung der Klägerin, dass ein Arzt sie aufgrund ihrer Erkrankung an Covid19 und der Art ihrer Tätigkeit als arbeitsunfähig eingestuft hätte, ist unbeachtlich. Die Beurteilung, ob die Klägerin im Einzelfall anhand der konkret auszuübenden Tätigkeit arbeitsunfähig gewesen ist, obliegt einem Arzt. Ein solches ärztliches Attest hat die Klägerin jedoch nicht eingeholt.

Auch ihr Einwand, es sei ihr wegen der Quarantäneanordnung nicht möglich gewesen, ein ärztliches Attest einzuholen, geht in der Sache fehl. Gemäß dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesauschusses über die Änderung der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie war die Ausstellung eines ärztlichen Attestes bezüglich der Arbeitsunfähigkeit nach telefonischer Anamnese bis zu einer Höchstdauer von 14 Tagen möglich. Von dieser Möglichkeit hatte die Klägerin jedoch keinen Gebrauch gemacht.

Die Nachgewährung von Urlaubstagen ist nach zutreffender Ansicht des Amtsgerichts Bonn und des Landesarbeitsgerichts Köln auch nicht aus europarechtlichen Erwägungen erforderlich. Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG sieht lediglich vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindesturlaub von vier Wochen erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind. Art. 7 der Richtlinie schließt aber gerade nicht aus, dass die mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften den Nachweis einer Arbeitsunfähigkeit im Sinne eines ärztlichen Attests als Voraussetzung für die Nachgewährung von Urlaubstagen verlangen können. Ziel der Regelung sei es nicht, einzelstaatliche Vorgaben betreffend eines Nachweises zu reglementieren. Insbesondere war die Klägerin tatsächlich in der Lage, sich ihre Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt bescheinigen zu lassen.

Keine analoge Anwendung des § 9 BUrlG

Eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG zugunsten der Klägerin kommt auch nicht in Betracht. Bei einer symptomlosen Erkrankung mit dem Corona-Virus und der daraus folgenden Quarantäneanordnung liegt keine Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 9 BUrlG vor. Mithin fehlt es an den Voraussetzungen für eine Analogie.

Eine analoge Gesetzesanwendung setzt eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus. Für die analoge Anwendung des § 9 BUrlG fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Es handelt sich bei § 9 BUrlG um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift und Ausnahmevorschriften sind grundsätzlich einer Analogie nicht zugänglich. Urlaubsstörende Ereignisse unterfallen grundlegend dem allgemeinen Lebensrisiko und damit dem Risikobereich des Arbeitnehmers. Nur bei einer Erkrankung des Arbeitnehmers, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, ist die Voraussetzung des § 9 BUrlG erfüllt. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung die Risikoverteilung geändert, indem er dem Arbeitgeber das Risiko aufgebürdet hat. Mithin hat er eine Ausnahme zur grundsätzlichen Risikoverteilung mit § 9 BUrlG geschaffen. Es liegt keine planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers vor.

Jedenfalls fehlt es auch an einer vergleichbaren Interessenlage, denn die Erkrankung mit dem Corona- Virus führt bei einer symptomlosen Infektion nicht unmittelbar und zwingend zu einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers.

Unterscheidung zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit

Eine analoge Anwendung und damit ein Anspruch nach § 9 BUrlG kommt nur dann in Betracht, wenn mit jeder Corona-Infektion eine mit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vergleichbare Beeinträchtigung vorliegt. Es muss daher grundsätzlich zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit unterschieden werden. Es kann unterstellt werden, dass die Klägerin sich während ihres Urlaubs mit dem Corona-Virus infiziert hatte. Die Virusinfektion stellt eine Krankheit dar, denn es liegt ein vom körperlichen Normalzustand negativ abweichender Zustand vor. Damit folgt die hiesige Kammer der bisher ständigen Rechtsprechung, wonach eine Arbeitsunfähigkeit nur in dem Fall gegeben ist, wenn körperliche oder andere Symptome die Arbeitsleistung unmöglich machen. Allerdings führt nicht jede Krankheit zu einer Arbeitsunfähigkeit. Bei einer Erkrankung mit dem Corona-Virus führt ein symptomloser Verlauf nicht unmittelbar zu einer Arbeitsunfähigkeit.

Die Arbeitsfähigkeit eines an Covid19 erkrankten Arbeitnehmers kann weiterhin gegeben sein. Dies hängt mit den Bedingungen des einzelnen Arbeitsplatzes ab. Allein durch die behördliche Quarantäneanordnung war der Klägerin die Arbeit nicht unmöglich. Die Klägerin wäre durch ihre symptomlose Infektion nicht daran gehindert gewesen, ihre Arbeitsleistung von einem häuslichen Arbeitsplatz zu erbringen. Hätte die Klägerin einen Homeoffice-Arbeitsplatz innegehabt, so bestünden keine Zweifel daran, dass ihr die Verrichtung ihrer Arbeitsleistung möglich gewesen wäre, denn die Klägerin war körperlich durch die symptomlose Infektion nicht eingeschränkt. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Arbeitsleistung nicht von zu Hause aus erbracht werden kann. In diesem Fall liegt eine Arbeitsunfähigkeit vor. In dem vorliegenden Fall hätte der gewährte Urlaub dann die Pflicht zur Verrichtung der Arbeitstätigkeit aufgehoben. Der Zweck des BUrlG, die Erholung des Arbeitnehmers von seiner Tätigkeit, hätte mit der Urlaubsgewährung trotz der Quarantäneanordnung erreicht werden können. Im Ergebnis besteht keine zu § 9 BUrlG vergleichbare Interessenlage.

Auch nach der Berufungsentscheidung des Landesarbeitsgerichts bleibt es dabei, dass die Klägerin in der Zeit vom 01.12.2020 bis 07.12.2020 fünf Urlaubstage erhalten hat, die nicht nachgewährt werden müssen. Das Gericht hat in seinem Urteil die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob eine Revision eingelegt wird.


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