Einführung eines 3G-Konzepts durch den Arbeitgeber
Am 19. März 2022 laufen die bisherigen Covid19-Schutzvorschriften im Infektionsschutzgesetz aus. Infolgedessen hat die Bundesregierung einen neuen Gesetzesentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes erlassen. Der Entwurf sieht eine Änderung des § 28b Infektionsschutzgesetzes dahingehend vor, dass die 3G-Regel am Arbeitsplatz sowie die Homeofficepflicht entfallen und auch über den 19. März hinaus nicht verlängert werden. Der Gesetzesentwurf hat unter anderem zur Folge, dass Arbeitgeber den Status ihrer Arbeitnehmer[1], ob diese geimpft, genesen oder getestet sind, nicht mehr auf einer gültigen gesetzlichen Grundlage erfassen können.
Sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer stellt sich die Frage, wie es weiter gehen wird. Für den Arbeitgeber ist insbesondere die Frage interessant, ob dieser selbst ein 3G-Konzept einführen kann, um einen plötzlichen unbegrenzten Ausfall von Arbeitnehmern zu verhindern. Für ihn besteht das Risiko eines erhöhten Infektionsgeschehens innerhalb seines Betriebes, wenn plötzlich alle Arbeitnehmer aus dem Homeoffice zurückkehren und es keine Nachweise mehr über Genesung, Impfung oder eines negativen Corona-Tests gibt. Der Arbeitgeber sähe sich der Situation eines plötzlichen Ausfalls einer unbegrenzten Anzahl von Arbeitskräften ausgesetzt, die für ihn mit hohen Kosten verbunden wäre. Aus diesem Grund erscheint die Einführung eines 3G-Konzepts auf Anordnung des Arbeitgebers als eine praxisorientierte Lösung. Ob diese Möglichkeit für den Arbeitgeber besteht, ist derzeit jedoch hoch umstritten und in datenschutzrechtlicher Hinsicht besonders heikel.
Der Ansicht, nach welcher Arbeitgeber auch ohne konkrete gesetzliche Regelungen Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens innerhalb des Betriebes, insbesondere ein 3G-Konzept einführen können, ist zuzustimmen. Es handelt sich um eine Frage der Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und den Interessen des Arbeitgebers an der Aufrechterhaltung des Betriebs und an dem Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer. Diese Abwägung fällt zugunsten des Arbeitgebers aus.
Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht
In der aktuellen Diskussion erscheint die Gegenansicht, wonach der Arbeitgeber selbst kein 3G-Konzept einführen könne, da er weder einen regelmäßigen Corona-Test noch eine Impfung anordnen und deshalb im Rahmen von 3G auch keine entsprechenden Nachweise vom Arbeitnehmer abfragen dürfe, nicht sachgerecht. Diese Ansicht bewertet die Interessen des einzelnen Arbeitnehmers höher als die Interessen des Arbeitgebers und die Interessen anderer Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer werde, so die Gegenansicht, durch die Einführung eines 3G-Konzepts durch den Arbeitgeber in seinem Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs.1 und Art. 1 Abs. 1 GG sowie in seiner körperlichen Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 1 GG derart eingeschränkt, dass eine Abwägung der widerstreitenden Interessen auf die Rechtswidrigkeit der Einführung eines 3G-Konzepts durch den Arbeitgeber hinausliefe. Dem ist aus folgenden Gründen nicht zuzustimmen:
§ 106 GewO als Rechtsgrundlage für die Einführung eines 3G Konzepts
Die Einführung eines 3G-Konzepts durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich von § 106 GewO erfasst. § 106 GewO dient als rechtliche Grundlage für die Maßnahme des Arbeitgebers, denn dieser kann aufgrund des Direktionsrechts den Inhalt von Schutz- und Rücksichtnahmepflichten konkretisieren. Zudem folgt aus § 106 GewO, dass der Arbeitgeber das Recht innehat, Weisungen hinsichtlich des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb zu erteilen.
Zwar wird zurecht eine generelle Impfpflicht des Arbeitgebers abgelehnt, denn sein Direktionsrecht reicht nicht so weit, als dass er gegenüber seinen Arbeitnehmern im Betrieb einen solch einschneidenden körperlichen Eingriff anordnen könnte. Daraus kann jedoch nicht das Verbot geschlossen werden, der Arbeitgeber dürfe nicht nach einer erfolgten Impfung, nach den Status der Genesung oder eines negativen Testergebnisses fragen. Eine Nachfrage durch den Arbeitgeber trägt entscheidend dazu bei, das Infektionsgeschehen und die Infektionswahrscheinlichkeit innerhalb eines Betriebs unter Kontrolle zu halten. Darüber hinaus ordnet der Arbeitgeber mit der Einführung eines 3G-Konzepts auch gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer keine Impfung an. Der Nachweis eines negativen Corona-Tests wird bei dem 3G-Konzept ebenfalls berücksichtigt, sodass auch keine Impfpflicht „durch die Hintertür“ vom Arbeitgeber angeordnet wird. Die Eingriffsintensität eines Testnachweises ist auch deutlich geringer als bei einer Impfung, denn es handelt sich um einen geringfügigen Eingriff.
Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und den Interessen des Arbeitsgebers
Zu beachten ist ebenfalls, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und seine körperliche Unversehrtheit nicht absolut geschützt sind. Die berechtigten Interessen des Arbeitgebers sind offensichtlich. Die Einführung eines 3G-Konzepts über den 19.03.2022 hinaus soll zunächst den Betriebsablauf aufrechterhalten. Darüber hinaus möchte der Arbeitgeber etwaige Arbeits- als auch Produktionsausfälle durch Quarantäneanordnungen sowie Entgeltfortzahlungen wegen Erkrankungen mit Covid-19 vermeiden. Gleichzeitig geht es ihm darum, den Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb an einem effektiven Infektionsschutz im größtmöglichem Umfang Rechnung zu tragen, indem er das Infektionsgeschehen sowohl innerhalb als auch außerhalb seines Betriebes durch die Einführung eines 3G-Konzepts insofern kontrollieren kann, als dass seine Arbeitnehmer keine Gefahr für die Belegschaft als auch für andere darstellen.
Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und den Interessen anderer Arbeitnehmer
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit jedes einzelnen Arbeitnehmers muss auch mit den Interessen der anderen Arbeitnehmer auf körperliche Unversehrtheit abgewogen werden. Das Interesse der anderen Arbeitnehmer geht dahin, nicht mit infizierten Arbeitskollegen zusammenarbeiten zu wollen. Zwar kann jeder Arbeitnehmer im privaten Bereich einer solchen Situation des „Ausgeliefert seins“ ausweichen bzw. vorbeugen, indem er sich von Massenveranstaltungen fernhält oder sich über den Impfstatus anderer Personen informiert oder sich vor gemeinsamen Treffen mit anderen Personen regelmäßig testen lässt. Im Betrieb sind diese Maßnahmen teilweise jedoch nicht umsetzbar. Der einzelne Arbeitnehmer ist gezwungen sich mit seinen Kollegen auseinanderzusetzen und kann jenen im Betrieb nicht unbedingt ausweichen. Zudem muss er darauf vertrauen, dass seine Arbeitskollegen nicht infiziert sind. Die Situation im Betrieb stellt sich daher als eine vollkommen andere Realität als im privaten Bereich dar, der zudem auch ein anderes Infektionsgeschehen zugrunde liegt. Der einzelne Arbeitnehmer kann im Betrieb nicht selbstbestimmt darüber entscheiden, welchem Infektionsrisiko er sich auszusetzen bereit ist. Aus diesem Grund verpflichtet die Fürsorgepflicht aus § 618 BGB in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG den Arbeitgeber alle erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes hinsichtlich der Arbeitnehmer im Betrieb zu treffen. Dieser Verpflichtung muss der Arbeitgeber durch sein Weisungsrecht aus § 106 GewO nachkommen.
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates
Allerdings ist zu beachten, dass dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht über § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG zukommt. Der Arbeitgeber kann von seinem Direktionsrecht zur Einführung eines 3G-Konzepts nur nach Zustimmung des Betriebsrats Gebrauch machen. Zwar ist bislang unklar, wo genau Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bestehen und wie weit diese reichen, aber man ist sich mittlerweile darüber einig, dass dem Betriebsrat zumindest bei der Einführung von regelmäßigen Corona-Tests ein Mitbestimmungsrecht zukommt. Es ist kein Grund ersichtlich, warum ein Mitbestimmungsrecht nicht auch auf den Fall des 3G-Konzepts übertragen werden kann. Der Wortlaut des § 87 BetrVG schließt eine Anwendung des Mitbestimmungsrechts in dem hier konkreten Fall nicht aus.
Datenschutzrechtliche Bedenken
Auch in datenschutzrechtlicher Hinsicht wirft die Einführung eines 3G-Konzepts durch den Arbeitgeber Diskussionen auf. Einigkeit besteht über die Anwendung der DSGVO sowie des BDSG. Uneinigkeit besteht jedoch darüber, ob der Arbeitgeber die Beschäftigtendaten, also die Gesundheitsdaten der Arbeitnehmer hinsichtlich des Genesenen-, Impf- oder Testnachweises überhaupt verarbeiten darf. Entgegen der Ansicht vieler Stimmen in der Literatur als auch der Datenschutzkonferenz ist die Verarbeitung der Daten keinesfalls so unzulässig wie allgemein dargestellt.
§ 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG als taugliche Rechtsgrundlage
Die Datenschutzkonferenz hat vor Einführung des § 28b Infektionsschutzgesetz eine gesetzliche Grundlage für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch den Arbeitgeber aufgrund der 3G-Regelung am Arbeitsplatz gefordert. Ohne nähere Begründung ist sie davon ausgegangen, dass § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG nicht als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung des 3G-Nachweises in Betracht käme. § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG erklärt die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses für zulässig, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt.
Nach der hier vertretenen Auffassung kam § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG bereits vor der Einführung des § 28b Infektionsschutzgesetz als taugliche Rechtsgrundlage für den Arbeitgeber in Betracht. Denn § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG ist nach überwiegender Ansicht so zu verstehen, dass Rechte und rechtliche Pflichten auch aus dem Arbeitsvertrag selbst erwachsen können und dass es für diese keine gesetzlich normierte Regelung bedarf. Unter Rechte und rechtliche Pflichten aus dem Arbeitsvertrag dürfte ebenso das Weisungsrecht des Arbeitgebers aus § 106 GewO und die daraus folgenden konkreten Weisungen, als auch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus § 618 BGB in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG zählen. Die obige Abwägung der sich widersprechenden Interessen hat bereits gezeigt, dass das Interesse der beschäftigten an der Geheimhaltung ihres Impf- oder Genesenenstatus gegenüber den berechtigten Interessen des Arbeitsgebers an der Aufrechterhaltung des Betriebs und gegenüber den Interessen der anderen Arbeitnehmer an ihrer körperlichen Unversehrtheit nicht überwiegt. Die Datenverarbeitung lässt sich daher auf die Rechtsgrundlage des § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG stützen.
Rechtsgrundlage der Einwilligung nach § 26 Abs. 3 Satz 3 BDSG aufgrund mangelnder Freiwilligkeit nicht geeignet
Ob der Arbeitgeber sich auf die Rechtsgrundlage der Einwilligung nach § 26 Abs. 3 Satz 3 BDSG stützen kann, ist mehr als fraglich. Eine Einwilligung setzt die Freiwilligkeit der Erklärung voraus. Im Arbeitsverhältnis besteht oft ein Machtungleichgewicht, weshalb oftmals angezweifelt wird, ob eine Einwilligungserklärung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis freiwillig erfolgen kann. Entgegen mancher Ansichten ist die Einwilligung im Arbeitsverhältnis nicht per se ausgeschlossen. Die überwiegende Ansicht stellt auf eine Einzelfallbetrachtung ab. Insbesondere soll eine Einwilligung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses freiwillig erfolgen, wenn der Arbeitnehmer hierdurch einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorteil erlangt oder wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer dieselben gleichgelagerten Interessen verfolgen. Diese Ausnahmen gelten, wenn die Einwilligung nicht den Kernbereich des Beschäftigungsverhältnisses betrifft. Der Nachweis über den Genesenen- bzw. Impfstatus oder über einen negativen Corona-Test betrifft aber den Kernbereich des Beschäftigungsverhältnisses, denn der Nachweis steht im Zusammenhang mit der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung. Allerdings ist eine Einwilligung auch in diesem Bereich zulässig, wenn dem Beschäftigten eine echte Wahlmöglichkeit zukommt. Ob dies vorliegend der Fall ist, kann zurecht angezweifelt werden.
Zusammenfassende Beurteilung
Die Pandemie stellt die Gesellschaft und die Arbeitswelt immer wieder vor neue Herausforderungen. Dabei sind auch immer die konkreten Umstände miteinzubeziehen. Meines Erachtens kann sich der Arbeitgeber für die Einführung eines 3G Konzepts auf das Direktionsrecht aus § 106 GewO als taugliche Rechtsgrundlage berufen. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen Arbeitnehmer, die die Einführung eines solchen Konzeptes durch den Arbeitgeber ablehnen und ohne jegliche Nachweise ihrer Arbeit in der Betriebsstätte nachgehen wollen, ist in einer Abwägung mit den Interessen des Arbeitgebers an einem funktionierenden Betrieb und der Interessen der anderen Arbeitnehmer hinsichtlich ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit gerechtfertigt. Insbesondere ist das Vorzeigen eines Genesenen- oder Impfnachweises keine nennenswerte Beeinträchtigung. Auch die Durchführung eines Covid19-Tests als auch das Vorzeigen des Testnachweises sind den einzelnen Arbeitnehmern aus den oben genannten Gründen zumutbar. Darüber hinaus ist das 3G-Konzept erprobterweise geeignet das Infektionsgeschehen innerhalb eines Betriebes erheblich zu mindern.
Aus meiner Hinsicht bestehen keine datenschutzrechtlichen Bedenken, da § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG bereits vor Einführung des § 28b Infektionsschutzgesetz als taugliche Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten in Betracht kam. Ob letztendlich die Einführung eines 3G-Konzepts durch den Arbeitgeber allerdings an einer datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlage scheitert, bedarf einer Entscheidung durch die Gerichte.
[1] Im vorliegenden Beitrag wird aus Vereinfachungsgründen nur die männliche Form des Arbeitnehmers verwendet. Erfasst sind aber ausdrücklich alle Arbeitnehmer unabhängig von ihrem Geschlecht.
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