Änderungen im Nachweisgesetz
Die am 31. Juli 2019 in Kraft getretene Arbeitsbedingungenrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1152) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union im Bereich des Zivilrechts ersetzt die Nachweisrichtlinie (Richtlinie 91/533/EWG) vom 14. Oktober 1991 über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen. Sie verfolgt das Ziel, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem transparente und vorhersehbare Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird. Dieses Ziel soll durch Maßnahmen wie etwa einer einheitlichen Unterrichtung über die wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses (sog. Nachweispflichten), als auch über Mindestanforderungen über die Arbeitsbedingungen sowie über Durchsetzungsbestimmungen erreicht werden. Der gegenständliche Beitrag behandelt die wichtigsten Änderungen des NachwG und gibt dahingehend eine erste Einschätzung ab. Zudem richtet sich der Blick auf die zukünftigen Auswirkungen für Unternehmen.
Richtlinie sorgt für Änderungen im NachwG
Die Richtlinie sieht eine Frist zur Umsetzung bis zum 01.08.2022 vor. Die Bundesregierung hat in der Zwischenzeit einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Richtlinie vorgelegt, auf dessen Grundlage sich zahlreiche Änderungen im Nachweisgesetz (NachwG) und in anderen Gesetzen ergeben. Gegenständliches Ziel des NachwG ist es, dafür Sorge zu tragen, dass die für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen nachgewiesen werden können, um etwaige Unsicherheiten – auch nachträgliche – zu beseitigen. Dabei erfolgt der Nachweis grundsätzlich über den Arbeitsvertrag.
Das NachwG hat bisher in der Praxis keine große Rolle gespielt. Dies wird sich nun aufgrund der geplanten Änderungen, die u.a. eine Sanktionsmöglichkeit bei Verstößen gegen die gesetzliche Nachweispflicht vorsehen, ändern. Neben Bußgeldvorschriften sieht das Gesetz u.a. auch eine Erweiterung des Anwendungsbereichs, eine Ausweitung der Angaben zum Nachweis der Arbeitszeit sowie eine Verkürzung der Frist zur schriftlichen Unterrichtung vor. Hinsichtlich des Schriftformerfordernisses sieht der Gesetzesentwurf jedoch keine Änderungen vor. Der Arbeitgeber bleibt weiterhin verpflichtet die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen. Nach wie vor ist auch der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form durch den Gesetzesentwurf ausgeschlossen, obwohl die Richtlinie die elektronische Form in dessen Art. 3 ausdrücklich zulässt.
- Anwendungsbereich, § 1
Der vorherige Anwendungsbereich des NachwG schloss Arbeitnehmer, die nur zur vorübergehenden Aushilfe von höchstens einem Monat eingestellt wurden aus, vgl. § 1 NachwG. Der jetzige Gesetzesentwurf streicht diese Ausnahme und erweitert somit den Anwendungsbereich auf alle Arbeitnehmer unabhängig von der Dauer ihrer Beschäftigung.
- Nachweispflicht, § 2
Verkürzung der schriftlichen Unterrichtungspflicht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzesentwurfs)
Bisher wurde dem Arbeitgeber eine Frist von einem Monat zur Niederlegung der wesentlichen Vertragsbedingungen gewährt, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG. Der neue Gesetzentwurf verweist in seinem Abs. 1 Satz 1 hinsichtlich der Frist auf den neu eingefügten Satz 4. Danach wird der Arbeitgeber verpflichtet die Niederschrift in den Fällen Nr. 1, 7 und 8 (Name und Anschrift der Vertragsparteien, Arbeitsentgelt sowie Arbeitszeit) spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung, die Niederschrift mit den Angaben mit der Nummer 2 bis 6, 9 und 10 spätestens am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses und die Niederschrift mit den übrigen Angaben nach Satz 2 spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen. Bei wesentlichen Änderungen der Vertragsbedingungen ist der Arbeitgeber verpflichtet den Arbeitnehmer bei erster Gelegenheit, spätestens an dem Tag, an dem die Änderungen wirksam werden, schriftlich zu unterrichten. Für die Praxis bietet sich eine Orientierung an die kürzeste Frist an. Spätestens sollte der Arbeitnehmer an dem Tag unterrichtet werden, an dem die Änderungen wirksam werden. Die Änderungen des NachwG wirken sich auch auf bereits bestehende Arbeitsverhältnisse aus. Nach § 5 Satz 1 des Gesetzesentwurfs ist dem Arbeitgeber auf sein Verlangen spätestens am siebten Tag nach Zugang der Aufforderung beim Arbeitgeber die aktualisierte Niederschrift auszuhändigen.
Neue Einfügung hinsichtlich der Dauer der Probezeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 des Gesetzesentwurfs)
Neu eingefügt wurde in § 2 Abs. 1 Satz 2 die Nr. 6, wonach in die Niederschrift zukünftig mindestens auch die Dauer der Probezeit, sofern eine vereinbart wurde, mit aufzunehmen ist. Die Richtlinie geht in Art. 8 sogar soweit, dass bei befristeten Arbeitsverhältnissen die Probezeitdauer im Verhältnis zur erwarteten Dauer des Vertrags und der Art der Tätigkeit stehen muss. Ab wann ein solches Verhältnis angemessen ist, regelt die Richtlinie nicht und wird auch nicht in dem Entwurf des zur Umsetzung der Richtlinie neu geregelten § 7 Abs. 3 TzBfG thematisiert. Es bleibt daher für die Praxis weiterhin unklar, was die Regelung für befristete Arbeitsverhältnisse konkret bedeutet. Von der Möglichkeit einer Verlängerung der Probezeit, wie sie die Richtlinie in Art. 8 Abs. 3 vorsieht, hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht.
Ausweitung der Angaben im Nachweis zur Arbeitszeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 des Gesetzesentwurfs)
Das bisherige Nachweisgesetz sieht nur eine Unterrichtungspflicht in Bezug auf die vereinbarte Arbeitszeit vor. Der neue Gesetzesentwurf bezieht darüber hinaus die vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen mit ein. Die Unterrichtungspflicht wurde um diese Kategorien erweitert.
Anspruch auf Fortbildung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 des Gesetzesentwurfs)
Neuerdings ist der Arbeitnehmer über einen etwaigen Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildungen zu unterrichten. Dies betrifft insbesondere Fortbildungen, zu deren Angebot der Arbeitgeber gesetzlich, durch Tarifvertrag oder durch Betriebsvereinbarungen verpflichtet ist. Anlässlich dessen soll § 111 GewO dahingehend neu gefasst werden, dass dem Arbeitnehmer die Kosten für Pflichtfortbildungen nicht auferlegt werden dürfen. Damit sorgen die Regelungen für Rechtssicherheit und -klarheit bei den Arbeitnehmern. Zudem werden Arbeitnehmer entlastet, indem die Kosten von Pflichtfortbildungen den Arbeitgebern auferlegt werden.
Betriebliche Altersversorgung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 des Gesetzesentwurfs)
Neu eingefügt wurde in dem Gesetzesentwurf die Unterrichtungspflicht für den Fall, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt. Der Arbeitgeber muss dann dem Arbeitnehmer Name und Anschrift des Versorgungsträgers mitteilen. Die Nachweispflicht entfällt nur, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist.
Kündigungsverfahren (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 des Gesetzesentwurfs)
Bisher musste der Arbeitgeber lediglich die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses in die Niederschrift mit aufnehmen. Der Gesetzesentwurf sieht nun vor, dass bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses darüber hinaus das einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage festgehalten werden müssen.
Erweiterung der Angaben zur Auslandstätigkeit und Entsendung, § 2 Abs. 2 und Abs. 3
Hat der Arbeitgeber seine Arbeitsleistung länger als vier aufeinanderfolgende Wochen außerhalb der BRD zu erbringen, so muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zusätzlich über das Land bzw. über die Länder sowie über die geplante Dauer der Arbeit und über die Währung, in der die Entlohnung erfolgt zu unterrichten. Bei einer entsprechenden Vereinbarung hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch die mit dem Auslandsaufenthalt verbundenen Geld- oder Sachleistungen mitzuteilen und, ob eine Rückkehr des Arbeitnehmers vorgesehen ist und unter welchen Bedingungen eine solche zu erfolgen hat.
- Bußgeldvorschriften, § 4
Die wichtigste Änderung sieht der Gesetzesentwurf in dem neu eingeführten Bußgeldtatbestand in § 4 vor. Ordnungswidrig handelt der Arbeitgeber nun, wenn er die wesentlichen Vertragsbedingungen nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig aushändigt. Die Ordnungswidrigkeit kann dabei mit einer Geldbuße von bis zu zweitausend Euro geahndet werden.
Resümee
Der Gesetzesentwurf schafft in vielen Punkten Klarheit und Rechtssicherheit für die Arbeitnehmer. Jedoch ist er zugleich wenig flexibel und bereits jetzt teilweise überholt. Die Beibehaltung des Schriftformerfordernisses unter gleichzeitigem Ausschluss der Zulässigkeit der elektronischen Form steht nicht nur im Widerspruch zur notwendigen Digitalisierung, sondern geht auch über die Richtlinie hinaus, die ausdrücklich die elektronische Form für zulässig erklärt. Erschwerend kommt der hohe Verwaltungsaufwand für Unternehmen bei dem beibehaltenen Schriftformerfordernis hinzu. Die Zulässigkeit der elektronischen Form hätte eine spürbare Erleichterung für die Unternehmen bedeutet. Die fehlende Flexibilität wird auch an anderer Stelle des Gesetzesentwurfs deutlich. So hat der deutsche Gesetzgeber von der Möglichkeit der Verlängerung der Probezeit in Einzelfällen keinen Gebrauch gemacht. Stattdessen übernimmt der deutsche Gesetzgeber ungesehen die Bedingungen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Dauer der Probezeit und voraussichtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses, ohne diese weiter zu konkretisieren. Letztendlich führt dies in der Praxis nur zu Ungewissheit, sodass die Regelung niemandem nützt. Zwar handelt es sich bislang nur um einen Entwurf, jedoch bedarf dieser an den angesprochenen Punkten noch einer Nachbesserung.
Welche Auswirkungen sind in der Praxis zu erwarten?
Für Arbeitgeber stellt sich nun die Frage, welche Auswirkungen der Gesetzesentwurf mit seinen Änderungen für sie hat. Für die Praxis bedeuten die Änderungen des NachwG, dass diesem nunmehr eine höhere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Arbeitgeber sollten handeln und zwar rechtzeitig, um Bußgelder zu vermeiden. Für neue Arbeitsverträge gilt, dass diese nach Beendigung des Gesetzgebungsverfahrens überprüft und an die neue Rechtslage angepasst werden sollten. Altverträge sind hingegen nicht unbedingt anzupassen. Lediglich in den Fällen, in denen Arbeitnehmer eine Unterrichtung über alle neu hinzugekommenen Informationen verlangen, ist der Arbeitgeber verpflichtet eine aktualisierte Niederschrift auszuhändigen, vgl. § 5 des Gesetzesentwurfs. Arbeitgebern ist zu raten, bereits vor Verabschiedung des Gesetzes entsprechende Informationen in Form von Vertragsklauseln zu entwerfen und Vordrucke zu erstellen, um auf eventuelle Anfragen vorbereitet zu sein und zügig antworten zu können.
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